Angststörungen sind weit verbreitet, sie gehören mit den Depressionen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen überhaupt. Ungefähr 15 % der Menschen erkranken im Laufe des Lebens an einer Angststörung. Frauen sind hiervon fast doppelt so häufig betroffen wie Männer. Allerdings gibt es nicht die eine Angststörung, sondern verschiedene Formen von Angststörungen, die sich in ihren Auslösern, Symptomen, Diagnostik und Behandlung unterscheiden.
Ursachen | u.a. Genetik, belastende Lebensereignisse, ungünstige Erziehungsstile, Drogenkonsum |
Symptome | u.a. Herzrasen, Atemnot, Schwitzen, Schwindel, Übelkeit, Magen-Darm-Beschwerden |
Diagnose | Ausschluss körperlicher Ursachen, psychologische / psychiatrische Untersuchung mit standardisierten Fragebögen |
Behandlungsmöglichkeiten | medikamentöse Therapie, (kognitive) Verhaltenstherapie |
Angst ist eine wichtige Emotion und natürliche Reaktion, die vor potenziellen Gefahren warnt und schützt. Manchmal gerät diese Schutzfunktion jedoch außer Kontrolle und die Angst nimmt überhand, sodass sie in keinem angemessenen Verhältnis mehr zu der vermeintlichen Bedrohung steht. Tritt die Angst ohne ersichtlichen Grund oder in einem unverhältnismäßig starken Ausmaß auf und ist nicht kontrollierbar, sodass sie den Lebensalltag der Betroffenen erheblich einschränkt, handelt es sich vermutlich um eine Angststörung.
Die verschiedenen Formen der Angststörung unterscheiden sich vor allem darin, ob es für die Angst einen konkreten Auslöser gibt oder nicht.
Angststörungen mit konkretem Auslöser heißen Phobien. Auch hier gibt es verschiedene Arten. Bei sogenannten spezifischen Phobien haben die Betroffenen Angst vor bestimmten Situationen (z. B. dem Fliegen), Orten (z. B. Fahrstühlen) oder Objekten (z. B. Spinnen). Ein bekanntes Beispiel ist die Agoraphobie, bei der Menschen Angst haben, in eine hilflose Situation zu geraten und die sich vor allem auf öffentliche Plätze und Menschenansammlungen bezieht. Ein anderes Beispiel ist die Soziale Phobie, die durch eine große Angst vor sozialen Situationen gekennzeichnet ist, die mit einer Bewertung der eigenen Person verbunden sind, wie zum Beispiel öffentliches Sprechen vor einem Publikum. Die Symptome von Phobien können stark variieren und reichen von leichten Angstgefühlen bis hin zu einer panikartigen Flucht aus der jeweiligen Situation. Typisch ist die konsequente Vermeidung der angstauslösenden Situation.
Zu den Angststörungen ohne konkreten Auslöser gehören die Panikstörung und die Generalisierte Angststörung. Die Panikstörung zeichnet sich durch plötzlich und unvorhersehbar auftretende Panikattacken aus, die in ganz unterschiedlichen Situationen auftreten können. Während dieser Panikattacken erleben die Betroffenen starkes Zittern, Schwitzen, Zittern, Hitzewallungen oder Kälteschauer. Sie verspüren oft Mundtrockenheit und Atemnot, ein Engegefühl im Hals oder in der Brust, Übelkeit oder Durchfall. Häufig kommt es zu einem Gefühl des Kontrollverlusts, das in einem Gefühl der Todesangst gipfeln kann. Mit dem Nachlassen der Panikattacke verschwinden auch die Symptome.
Bei einer generalisierten Angststörung zeigen die Betroffenen in nahezu allen Lebensbereichen generell ein hohes Angstniveau, das mit unrealistischen Sorgen und übertriebenen Katastrophenerwartungen einhergeht. Die Betroffenen leiden über einen längeren Zeitraum unter verschiedenen Beschwerden, vor allem Schwindel, Mundtrockenheit und Magen-Darm-Probleme (z. B. Übelkeit, Durchfall). Hinzu kommen eine anhaltende Nervosität, Schlafstörungen sowie Aufmerksamkeits- und Konzentrationsprobleme. Die ständige Besorgtheit führt oft zu einer inneren Anspannung und Unruhe.
Eine besondere Form der Angststörungen stellen Zwangsstörungen dar. Hier leiden die Betroffenen entweder unter bedrohlichen Zwangsgedanken, denen sie sich nicht entziehen können oder unter Zwangshandlungen, die sie immer und immer wieder ausüben (müssen), um vermeintlich bedrohliche Folgen zu vermeiden. Oft treten die Zwangsgedanken und -handlungen zusammen auf oder die Zwangshandlungen werden genutzt, um die Gedanken zu kontrollieren oder zu neutralisieren. Dabei wissen die Betroffenen in der Regel sehr genau, dass ihre Gedanken und ihr Verhalten unsinnig sind, aber sie können es dennoch nicht unterlassen. Die Ursachen der Zwangsstörung sind vielfältig. Es spielen sowohl genetische Faktoren als auch neurobiologische und auch psychologische Faktoren eine Rolle. Zu den Risikofaktoren für die Entwicklung einer Zwangsstörung gehören auch ungünstige Erziehungsstile und traumatische / stark belastende Erlebnisse in der Vergangenheit.
Die Ursachen von Angststörungen lassen sich nicht eindeutig klären. Es gibt jedoch verschiedene Theorien zur Entstehung von Angststörungen, nach denen ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren die Entwicklung einer Angststörung begünstigt. Hierzu gehören zum einen genetische Faktoren, denn eine familiäre Vorbelastung erhöht das Erkrankungsrisiko. Daneben spielen auch neurobiologische Faktoren wie das Gleichgewicht der Hirnbotenstoffe (Neurotransmitter) und psychische Faktoren eine Rolle. Bei den psychischen Risikofaktoren sind insbesondere traumatische Kindheitserlebnisse zu nennen. Darüber hinaus können auch bestimmte Umweltfaktoren das Risiko für Angsterkrankungen erhöhen, wie zum Beispiel chronischer Stress oder der Konsum von Alkohol oder Drogen.
Der Übergang von natürlicher Angst und einer Angststörung ist fließend. Es gibt jedoch Hinweise, die darauf hindeuten, dass die Angst ein pathologisches Ausmaß annimmt und es ratsam ist, einen Arzt aufzusuchen. Das ist der Fall, wenn die Ängste die berufliche Tätigkeit, die Partnerschaft oder Bewegungsfreiheit und die Lebensqualität im Alltag erheblich einschränken. Auch wenn die Angst mit Alkohol, Tabletten oder Drogen bekämpft wird oder zu depressiven oder gar Suizidgedanken führt, ist es dringend anzuraten, sich professionelle Hilfe zu suchen. Erster Ansprechpartner kann hier der Hausarzt sein, der zunächst (ggf. in Zusammenarbeit mit Fachärzten anderer Disziplinen) körperliche Ursachen der Beschwerden ausschließt und dann an einen Psychologen überweist.
Die Diagnose einer Angststörung erfolgt in mehreren Stufen. Zunächst führt der Arzt oder Psychologe ein offenes Gespräch mit dem Patienten und erfragt die konkreten Beschwerden. Anschließend werden im Rahmen der Befunderhebung spezifische Fragebögen eingesetzt, die für die Diagnose von Angststörungen (und ihrer Unterformen) entwickelt wurden. Dabei ist es wichtig, die Angststörung von anderen (psychischen) Erkrankungen abzugrenzen bzw. mögliche Komorbiditäten zu entdecken. Auch müssen körperliche Ursachen der Beschwerden zweifelsfrei ausgeschlossen werden. Eventuell ist hierzu die Zusammenarbeit mit den entsprechenden Fachärzten (z. B. Kardiologie, Lungenfacharzt) erforderlich.
Angststörungen werden in der Regel medikamentös und/oder psychotherapeutisch behandelt. Bei der psychotherapeutischen Behandlung ist die kognitive Verhaltenstherapie die am häufigsten eingesetzte Therapieform. Sie zielt darauf ab, negative Denkmuster, die Angst auslösen und verstärken, zu identifizieren und gezielt zu verändern. Die Therapie vermittelt und fördert Bewältigungsstrategien und Problemlösefähigkeiten, indem die Betroffenen schrittweise oder direkt der angstauslösenden Situation ausgesetzt werden und sie lernen, dass darin keine wirkliche Gefahr besteht. Die Betroffenen lernen, irrationale Gedanken zu hinterfragen und die Situation realistischer einzuschätzen.
Neben der kognitiven Verhaltenstherapie gibt es noch weitere Therapieformen wie zum Beispiel die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie. Sie zielt darauf ab, unbewusste Konflikte und frühkindliche Erlebnisse zu bearbeiten, von denen angenommen wird, dass sie zur Entstehung der Angststörung beigetragen haben.
Bei schweren Fällen kann die psychotherapeutische Behandlung durch eine medikamentöse Therapie unterstützt werden. Dabei kommen in der Regel Antidepressiva oder (angstlösende) Beruhigungsmittel zum Einsatz. Sie lindern schnell die Symptome und machen es vielen Patienten überhaupt erst möglich, an einer Psychotherapie teilzunehmen. Allerdings treten bei einigen Medikamenten unerwünschte Nebenwirkungen auf und einige von ihnen haben ein hohes Abhängigkeitspotenzial, weshalb sie nur kurzfristig eingesetzt und dann schrittweise abgesetzt werden sollten.
Darüber hinaus gibt es noch weitere Behandlungsmöglichkeiten, die in Ergänzung zu den genannten Therapien durchgeführt werden können, wie zum Beispiel Entspannungsverfahren. Auch eine Änderung des Lebensstils mit einer Stressreduktion, einer gesunden Ernährung und mehr körperlicher Bewegung kann die Therapie positiv unterstützen.
Laut Robert-Koch-Institut erhielten im Jahr 2023 knapp 8 % der Erwachsenen in Deutschland die Diagnose einer Angststörung. Über die gesamte Lebensspanne hinweg leiden etwa 15 % der Menschen in Deutschland an einer Angststörung, wobei Frauen fast doppelt so häufig betroffen sind als Männer. Allerdings sind die Symptome einer Angststörung oft unspezifisch und die Erkrankung wird häufig nicht oder erst spät als solche erkannt. Deshalb ist anzunehmen, dass die Dunkelziffer sehr hoch ist und viel mehr Menschen von einer Angststörung betroffen sind.
Angststörungen treten häufig zusammen mit anderen psychischen Problemen oder Erkrankungen auf, hierzu gehören auch Depressionen. Tatsächlich ist das Erkrankungsrisiko für Depressionen bei Angstpatienten höher als bei Menschen ohne Angststörung. Eine mögliche Erklärung hierfür ist, dass die Angststörung das Leben der Betroffenen so stark beeinträchtigt, dass sie eine Depression entwickeln. Es ist aber auch andersherum möglich: Manche Patienten mit Depressionen entwickeln im Laufe der Zeit eine Angststörung. Oft kommen viele Faktoren zusammen, sodass Ursache und Wirkung nicht eindeutig zu identifizieren sind. Wichtig ist aber vielmehr, dass die Angststörung (und die Depression) möglichst frühzeitig behandelt wird.
Unbehandelt können sich die Ängste und Angstzustände verfestigen und immer häufiger und/oder stärker auftreten. Oft entsteht eine "Angst vor der Angst", die zu einem Teufelskreis und erheblichen Einschränkungen im Alltag führen kann. Diese sind für die Betroffenen oft zunehmend belastend und können ihr Wohlbefinden und ihre Lebensqualität massiv beeinträchtigen. Im schlimmsten Fall droht (zum Beispiel bei einer Sozialen Phobie oder einer Generalisierten Angststörung) der komplette Rückzug und soziale Isolation mit dem Risiko weiterer psychischer Erkrankungen wie Depressionen oder Suchterkrankungen. Umso wichtiger ist es, die Angststörung frühzeitig zu behandeln und diesen negativen Folgen vorzubeugen.
In der Regel dauert die Therapie einer Angststörung 10-20 Wochen. Bei einer starken Ausprägung kann es aber auch Jahre dauern, bis die Angststörung überwunden ist.
Ein Erstgespräch in einer psychotherapeutischen Sprechstunde kann oft innerhalb von 6 Wochen erfolgen. Allerdings gibt es nur in wenigen Fällen die Möglichkeit, direkt im Anschluss eine Therapie zu beginnen. Im Durchschnitt warten Patienten mit psychischen Erkrankungen wie einer Angststörung ungefähr 5-6 Monate auf einen Therapieplatz. Allerdings gibt es hier regionale Unterschiede. Tendenziell sind die Wartezeiten in Städten kürzer als in ländlichen Regionen.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, einen geeigneten Therapeuten zu finden. Die einfachste Möglichkeit ist, den eigenen Hausarzt zu fragen oder sich bei der eigenen Krankenkasse zu erkundigen oder die Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen zu nutzen.
Alternativ ist es möglich, direkt in einer psychotherapeutischen Praxis, einer psychotherapeutischen Ambulanz, psychosozialen Beratungsstelle oder einem sozialpsychiatrischen Dienst in der Nähe anzurufen und sich gegebenenfalls weiterleiten zu lassen.
Je nach Therapieform und individueller Situation variieren die Kosten für die Behandlung einer Angststörung. Sofern die Angststörung diagnostiziert ist, übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für eine psychotherapeutische Behandlung. Voraussetzung hierfür ist, dass es sich um eine anerkannte Therapieform handelt, zu der unter anderem die Verhaltenstherapie und die tiefenpsychologische fundierte Therapie gehören.
In vielen Fällen kann eine Angststörung dauerhaft überwunden oder zumindest so gut behandelt werden, dass die Betroffenen ein weitgehend angstfreies Leben ohne krankheitsbedingte Einschränkungen führen können. Die Chancen für eine dauerhafte Heilung sind besonders hoch bei einem frühzeitigen Behandlungsbeginn, der Anwendung der kognitiven Verhaltenstherapie und der aktiven Teilnahme und Mitarbeit der Patienten. Dennoch besteht auch nach einer erfolgreichen Therapie das (geringe) Risiko eines Rückfalls, insbesondere in stressigen Lebensphasen. Deshalb sollten die Betroffenen die im Rahmen der Therapie erlernten Strategien zur Angstbewältigung beibehalten und regelmäßig anwenden.
Gleiches gilt auch für die Behandlung von Zwangsstörungen, die unter den genannten Voraussetzungen hohe Erfolgsaussichten hat.
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