Wie viele Mikroben leben im menschlichen Körper und welchen Nutzen haben sie? Klar ist: Bakterien sind weitaus mehr als nur Krankheitserreger...
Ob im Job, beim Sport, Einkaufen oder gar unter der Dusche – wir sind nie allein unterwegs: Ständig “begleiten” uns Billionen von Bakterien und Pilze - kurz Mikroben genannt. Mikroben sind winzig kleine, ohne Mikroskop nicht sichtbare Lebewesen, die in unserer Natur, in Tieren und eben auch im Menschen vorkommen. Dabei hausen unzählbar viele Bakterien- und Pilzarten in und auf unserem Körper. Die meisten von ihnen sind dabei nicht schädlich, sondern leisten einen wertvollen Beitrag zu unserer Gesundheit und unserem Wohlbefinden.
Seit einer Veröffentlichung des Mikrobiologen Thomas Luckey war man davon ausgegangen, dass die Zahl der im Körper lebenden Mikroben die Menge der menschlichen Zellen um das Zehnfache übertrifft. Diese Zahl haben kürzlich Forscher vom israelischen Weizmann Institut und vom Hospital for Sick Children in Toronto relativiert: Sie gehen eher von einem Eins-zu-eins-Verhältnis aus.
Die Basis ihrer Untersuchung bildet ein 20 bis 30 Jahre alter „Durchschnittsmann” mit einem Gewicht von 70 Kilogramm, der 1,70 Meter groß ist. Dieser besteht nach Schätzungen der Wissenschaftler aus 30 Billionen Körperzellen, die von etwa genau so vielen oder etwas mehr Bakterien besiedelt werden (39 Billionen / etwa 2 kg unseres Körpergewichts). Dabei kann sich das Team um Ron Milo, Ron Sender und Shai Fuchs durchaus vorstellen, dass in einer anderen Personb lediglich halb so viele oder aber sogar die doppelte Menge Mikroben zu Hause sind. Die Gründe für schwankende Zahlen sind vielfältig und reichen von unterschiedlichen Lebensstilen bis hin zu krankheitsbedingten Veränderungen. Selbst ein Gang zur Toilette kann das Verhältnis gravierend beeinflussen, so die Wissenschaftler.
Abb.: Anzahl und Gewicht der Zellen im menschlichen Körper - Diese schwankt beim Menschen stark. Jedoch sieht man, dass ein großer Anteil nicht gleich bedeutend mit einem hohen Gewicht ist. Quelle: spektrum.de
Bakterien wohnen auf unserer Haut, unseren Schleimhäuten sowie in unseren inneren Organen. Und sie sind in zahlreicher Art vertreten. So lassen sich etwa allein 9.000 Arten auf unserer Zunge zählen, in der Ellenbeuge sind es immerhin noch knapp 3.500 Stämme. Auf der Haut bspw. bilden die „guten” Bakterien einen Schutzmantel, der uns hilft, Krankheitserreger abzuwehren. Andere Mikroben zersetzen derweil den Schweiß. Der dabei entstehende Geruch variiert übrigens von Mensch zu Mensch und kann mit dafür verantwortlich sein, wen wir “gut riechen” können, sprich sympathisch finden.
Die meisten der uns besiedelnden Bakterien tummeln sich allerdings im Darm: Sie bilden die so genannte „Darmflora”. Diese liefert uns Enzyme, ohne die unser Verdauungstrakt die Nahrung nicht zersetzen und verwerten könnte. So werden etwa unverwertbare Kohlenhydrate in langkettige Fettsäuren umgewandelt, die uns mit Energie versorgen. Einige Mikroben produzieren Vitamine und wehren als wichtiger Teil unseres Immunsystems krankmachende Erreger ab. Derweil sind andere Bakterienstämme mit dem Abbau von Cholesterin und Umweltgiften beschäftigt.
Bekämen wir keine bakterielle Unterstützung, müssten wir wesentlich mehr Nahrung zu uns nehmen, um mit allen notwendigen Nährstoffen versorgt zu werden. In der Entwicklungsgeschichte des Menschen, die die meiste Zeit eher durch Nahrungsmangel geprägt war, stellte diese Verdauungshilfe durch Bakterien einen entscheidenden Vorteil zum Überleben dar. In den heutigen Industrienationen können diese Gegebenheiten allerdings auch zu Problemen führen: Aufgrund des Überschusses an Nahrung und Nährstoffen schwellen Fettzellen an, der Stoffwechsel gerät aus dem Gleichgewicht und das Immunsystem wird hochgefahren. Die Folge: Permanente Entzündungsreaktionen im gesamten Körper und damit gesteigerte Risiken für Krankheiten wie Diabetes oder Fettstoffwechselstörungen.
Das bekannte Sprichwort “Liebe geht durch den Magen” müsste neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge eher “Liebe geht durch den Darm” heißen. Wie mittlerweile in mehreren Studien herausgefunden wurde, beeinflussen Bakterien in unserem Darm nicht nur unsere körperliche Gesundheit, sondern auch unseren Gemütszustand. Demnach hat nicht nur unsere Psyche einen Einfluss auf unseren Verdauungstrakt, sondern auch andersherum.
Wie bislang festgestellt wurde, kann unser Darm über sein komplexes Nervensystem aus zahlreiche Zellen, die Signalmoleküle ausschütten oder Signale wahrnehmen können, mit unserem Gehirn “Kontakt aufnehmen” und auf diese Weise Emotionen und Gefühle steuern. Dabei scheint es u.a. einen Einfluss zu haben, welche Inhaltsstoffe und Konsistenz die von uns aufgenommenen Lebensmittel haben. Diese üben einen Einfluss auf die Kommunikationssignale zwischen den Darmbakterien und unserem Gehirn aus. Viele Wissenschaftler gehen sogar davon aus, dass bei einer gestörten Darmflora das Risiko für psychische Erkrankungen wie Depressionen deutlich steigt. Allerdings steht die Forschung in diesem Bereich noch am Anfang. Fortschritte machte diese vor allem seit Einführung neuer Techniken, wie der 16S rRNA Sequenzierung, welche wesentlich präzisere Ergebnisse liefert. Es bleibt also spannend, welche weiteren Erkenntnisse hier in Zukunft gesammelt werden.
Auch wenn die Putzmittel-Werbung oft ein andere Bild erzeugen möchte: Ihr Image als fiese Krankmacher haben Bakterien längst abgelegt. Der positive Einfluss bestimmter Mikroben auf den menschlichen Organismus ist mittlerweile unbestritten. Daher empfiehlt es sich, den Einsatz von Antibiotika sorgfältig abzuwägen. Selbstverständlich müssen gefährliche Krankheitserreiger bekämpft werden. Doch bei jedem Einsatz von Antibiotika werden neben den Erregern auch viele “sympathische Verwandte” abgetötet. Aus diesem Grund sollten auch Desinfektionsmittel im Alltag sparsam verwendet werden: Meist genügt es ohnehin, sich gründlich mit heißem Wasser und Seife die Hände zu waschen.
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